Berichte aus Briefen der Kämpfer V.
Lehrer Stemler – Mannweiler – schrieb am 14. August 1917 aus Russland.
Sie werden mich wohl schon in Sibirien vermutet haben, weil ich schon so lange nichts mehr hören ließ. Der Sommer in den Roknito-Sümpfen mag es entschuldigen. Wer diesen einmal erlebte, kann viel erzählen und wer sein Unangenehmes zum zweiten Male durchkosten muß, kennt ihn noch besser. Die beste Bezeichnung für ihn ist „scheußlich“. Das Klima ist ungesund. Drückend heiße Tage wechseln sehr rasch mit rauhen, wie sie Deutschland nur im November kennt. Luft, Erde und Wasser wimmeln von Ungeziefer, Flöhe fallen einem in ganzen Schwärmen an. Wer keine breiten Stiefel anhat, den springen sie beinahe um. Die Schnaken sind so zahlreich, daß man sich Tag und Nacht von einem Bienenschwarm umgeben glaubt. Wer ihnen einige Stunden ausgesetzt ist, sieht kaum noch aus den Augen. Mäuse und Ratten halten sich in den Unterständen in ungeheurer Zahl. Selbst ein Aufhängen des Brotes an einem Bindfaden hilft nichts. Sie kriegen es herunter, den Fliegen muß man das Recht lassen, im Gesicht Platz zu nehmen und bei allem mitzuessen, weil man sich ihrer nicht erwehren kann. Unken, Kröten, Molche und Frösche beleben jedes Wasser in so großer Menge, daß ein Fließen desselben unmöglich ist. Zahl und Arten des Ungeziefers sind so groß, daß man staunen muß. Mit ihm haben wir weit mehr zu kämpfen, als mit dem Russen. Letzterer ist hier ziemlich ruhig. Nur wenn er seine schwachen Stunden bekommt, beschießt er uns mit seiner Artillerie. In Rumänien geht es immer noch frisch vorwärts. Dem Engländer und Franzosen scheint im Westen auch bald der Atem auszugehen. Die gar so gewaltigen Wutschreie verraten nicht mehr allzuviel Kraft. Wir denken bis zur nächsten Kornernte wieder in der Heimat zu sein.
Am 11. April 1917 war folgender Brief angekommen:
Sehr lange dauerte es diesmal wieder, bis ich zum Schreiben kam. Doch nachfolgende Zeilen mögen eine Entschuldigung sein. Wir haben sehr bewegte Tage hinter uns. Schon sehr lange war von unserer Seite geplant, den Brückenkopf Toboly, den die Russen am mittleren Stochod besetzt hielten, zu nehmen. Am 2. April schien die Zeit hierzu günstig zu sein und so wurde unser Angriff auf den 3. April angesetzt. Früh 6 Uhr begann das Trommelfeuer auf die russischen Gräben. Für die ganze Arbeit waren 3 Tage vorgesehen, wurde aber, weil alles großartig glückte, in einem Tag geleistet. Die russischen Batterien wurden durch Gas niedergehalten. Unsere Artillerie arbeitete erstklassig. Nachmittags 2 Uhr begann schon das zurückfluten der Russen. Ganze Regimenter wollten geschlossen über zwei noch für sie in Betracht kommende Brücken. Hier leistete unsere Artillerie großartige Arbeit. Auf einer Wegstrecke von etwa 1 km waren von einem vollen Regiment nur noch einzelne Männlein zu sehen und diese wurden Opfer unserer Gaswolken. So rannte ein Regiment nach dem anderen in diese Feuerzone und wurde total vernichtet. Da alles eilig vorwärts schritt, kam um 6 Uhr abends für uns auch etwas überraschend schnell der Befehl zum Sturm. Um 7 Uhr stiegen wir über unsere Gräben und stürmten vor. Das erste Hindernis war von Wasser bis in Brusthöhe, dann folgten zwei feindliche Drahthindernisse und endlich der russische Graben. Die russischen Batterien, die sich regen wollten, erhielten sofort wieder die Nase voll Gas und alle schwiegen. Nun erwarteten wir jeden Augenblick die Gegenwehr der russischen Grabenbesatzung. Statt sich zu wehren, kam diese auf Knieen gerutscht und hielt an wie der Krüppel am Weg. Alle dachten scheinbar, daß es ihnen jetzt an den Kragen geht, was unser Kriegslärm auch hätte erwarten lassen können. Aber alle freuten sich über den gnädigen Empfang. Unseren Ulanen küßten sie die Hände und sogar die Stiefel, was mehreren Panies eine recht derbe Abfuhr einbrachte. Sehr eifrig marschierten sie auf unsere Gräben zu und waren sichtlich erfreut, endlich aus dieser Feuerhölle zu kommen. Wir machten an dem Tage 1 General, 4 Oberste und 10 000 andere Offiziere und Mannschaften zu Gefangenen und erbeuteten 15 Geschütze, 94 Maschinengewehre, etwa 40 Minenwerfer und ungezählte Gewehre und Material. Die Verluste der Russen an Toten und Verwundeten zählten nach Tausenden. Unsere Verluste waren sehr gering. Der 3. April wird mir in ewiger Erinnerung bleiben. Zum ersten Male wurden wir an diesem Tage zum Stürmen angesetzt wie Infanterie (Stemler war beim ersten bayerischen Ulanenregiment), während wir bisher nur in der Verteidigung blieben. Für unser Regiment war es ein ruheloser Tag. Unangenehm war nur das Freibad im Schneewasser und das Nachtlager auf dem Sand in unserer Kleidung. Mir ist die Sache nicht ganz gut bekommen. Scheinbar hatte ich etwas von unserem Gas geschluckt, denn tagelang besaß ich eine Art Katerstimmung, so daß ich die Ostern größtenteils auf meinem Lager zubrachte. Jetzt bin ich glücklich wieder auf dem Damm und freue mich, alles gut überstanden zu haben. Der Russe hat sich immer noch nicht ganz von seinem Schrecken erholt.
Militärstation: Herakino, den 28. Mai 1918
Ihr Brief vom 26. April erreichte mich erst jetzt. Inzwischen habe ich eine ganz interessante Reise gemacht, längs durch die Ukraine. Am 20. April wurde ich durch das Regiment von Stochod abgerufen. Nach einer vierwöchigen Reise mit der Bahn erreichte ich am 20. Mai das Regiment. Meine Fahrt führte mich über Jekaterinoslaw und Taganrog, letztes am Asow`schen Meer. In beiden Städten lag ich je 8 Tage und wartete auf weiteren Befehl. So hatte ich Gelegenheit in das Leben einer ukrainischen Stadt hineinzuschauen. Jekaterinoslaw ist eine Industriestadt mit einem ziemlich französischen Anstrich. Die Luft über der ganzen Stadt ist geschwängert mit Parfüm und die Gesichter der Damen sind „ganz bunt“ bemalt. In einer ganz zufälligen Kleidung steckt eine leichtlebige Bevölkerung, die sich nach wenigen Tagen nichts mehr von der schweren Zeit der Bolschewikiherrschaft anmerken ließ. Ernsthafte Arbeit kennt man weit weniger als in Deutschland, dagegen für den Straßenbummel zu bestimmten Stunden des Tages haben alle reichlich Zeit. Taganrog ist ein gemütliches Bürgerstädtchen. In seinem Hafen herrscht ziemliche Stille. Nur Fischerboote fahren aus und ein. Der Anblick des Meeres vom Strande aus ist ganz malerisch, aber keineswegs überwältigend, wie ich es mir vorstellte.
Gegenwärtig liegen wir etwa 70 km nördlich Taganrog. Da nun die Operationen fast abgeschlossen sind, beginnt die Hauptarbeit des deutschen Militärs in der Ukraine. Diese besteht im Beitreiben von Vorräten, die nach Deutschland geschafft werden. Wir selbst werden in den nächsten Tagen hier abgelöst und kommen fort. Wohin es geht und welche Verwendung wir bekommen, ist noch unbestimmt. In Mannweiler glaubte man mich schon im Westen. Gottlob ist es bis jetzt noch nicht der Fall, aber ausgeschlossen ist es garnicht, daß es bald kommen kann.
Kloszki, den 7. Oktober 1918
Ihren Brief vom 13. September erhielt ich erst vor zwei Tagen. Inzwischen war ich schon in Urlaub. Auf der Durchfahrt machte ich auch in Mannweiler einen kurzen Besuch. Leider war die Zeit zu kurz, um auch nach Oberndorf zu kommen, wo ich gerne auch Sie besucht hätte. So muß ich dies auf das Kriegsende verschieben, was ja bald zu kommen scheint. Wie im Februar wurde ich auch diesmal wieder einberufen. Die Ursache war eine Verschiebung des Regimentes. Seit einigen Tagen sind wir nun in Tanrien, an der Küste des Schwarzen Meeres. Unsere Fahrt ging über Nikolajew nach Cherson. In letzterem lagen wir 2 Tage. Das Äußere der Stadt macht einen orientalischen Eindruck. Das Leben und Treiben ist russisch, Kaufhäuser, Gasthäuser und Cafes dagegen nach deutschem Muster. Zu kaufen bekommt man alles, was das Herz begehrt, aber alles ist sündhaft teuer. Was bei uns in Deutschland jetzt noch 20 – 30 Pfennig kostet, bezahlt man hier mit 3 Rubel = 4 Mark. Von Cherson aus wurden wir auf Schleppern über den Dniepr gesetzt. Zum ersten Male sah ich dabei Kavallerie auf dem Wasser. Auf zwei großen Kähnen war die ganze Eskadron mit 170 Pferden, 190 Mann und 18 Wagen untergebracht. Die Reise zu Schiff ging 8 – 10 km weit nach dem Städtschen Aloszki gegenüber Cherson, wo wir jetzt liegen. Aloszki ist ein Städtchen mit 20 000 Einwohnern, mitten in einem weiten Wüstenland. Man glaubt hier in der Sahara zu sitzen auf einer Oase. Das Städtchen an sich ist sonderbarer Weise ein großer Obstgarten. Doch es ist so staubig, daß die ganze Natur grau statt grün ist. Wir haben hier 25 Grad Wärme am Tage und die Nacht kann man ruhig auf blankem Sande im Freien verbringen. Unser Dienst ist Verwaltung und Sicherung des Bezirks. Ich selbst habe den Posten eines Bahnkommandanten. Was man im Kriege nicht alles werden kann. Hoffentlich ist das der letzte Posten und wir können bald zur Friedensarbeit zurückkehren.
Die Kriegszeit auf dem Lande im Jahr 1915, von Pfarrer Stock.
In dem gebirgigen Teile unserer schönen Pfalz, wo die Flüsse und Bäche sich in das Erdreich eingewühlt haben, erwachsen dem Landmanne bei der Feldbestellung und Ernte erhöhte Arbeitsleistungen. Die gesteigerten Mühen des Lebens blieben denn auch nicht ohne Einfluss auf sein inneres, geistiges Leben. Er ist bedächtigen Sinnes, leidet nicht an Vielredigkeit und sieht seinen schönen Lebenszweck in der Arbeit in Feld und Haus. Äcker, Stall und Scheune erfordern im Laufe des Jahres seine Gegenwart und so kommt es, daß sein Umgang mit der Außenwelt ein beschränkter ist, was hauptsächlich ihn veranlasst nicht blindlings allen Neuerungen nachzujagen, sondern vorsichtig das Für und Wider reiflich zu erwägen. Gleichwohl zeigt er sich allen fachmännigen Stellen, zu denen er einmal Zutrauen gefasst hat, entgegenkommend, so daß z.B. die theoretischen und praktischen Winke, bei ihm auf fruchtbaren Boden fallen, was allgemein an dem Aufblühen der landwirtschaftlichen Produktivität jeglicher Art dieses Gebietes beobachtet werden kann. Der pfälzische Bauer im Berglande ist stolz auf seinen Besitz und weil er ihn schwer erringt, hält er ihn doppelt fest. Daher lässt es sich auch erklären, daß die kriegswirtschaftlichen Maßnahmen von ihm besonders schwer empfunden werden, namentlich, weil er glaubt, daß die Manipulationen des Großhandels nicht die gleiche Belastung erfahren. Daß auch hier nach und nach durch behördliche Einrichtungen ein Ausgleich herbeigeführt wird, dürfte die Landwirte schließlich zufriedenstellen und beruhigen.
Als im Jahre 1914 der furchtbare Krieg ausbrach und eine Kriegserklärung der anderen folgte, da lag auch über den Dörfern der westlichen Pfalz eine schwüle Atmosphäre. Mit Bangen sahen die älteren Leute der nächsten Zukunft entgegen, während die Jüngeren gleich ihren städtischen Kameraden kampfbegeistert auszogen. Auch hier sah man rührende Szenen des Abschieds, wie sich das alte, von schwerer Arbeit verwitterte Mütterchen an den kraftstrotzenden scheidenden Sohn hing und mit dem Schürzenzipfel die Tränenbäche zu hemmen suchte, oder wie der lastgebeugte alte Bauer seinem Jungen das Geleit zur nächsten Bahnstation gab und hier wehen Herzens dem reich geschmückten Zuge nachsah, der seinen wackeren Arbeitsgenossen ins ungewisse Schicksal entführte. So sah ich ein altes Männlein noch eine halbe Stunde nach Abgang des Zuges, auf dem selben Flecke stehend, mit tränengeröteten Augen nach der Richtung starren, wo sein Lebensblut dahinfuhr. Dort nahm der Bursche von dem ihm „versprochenen“ Mädel tapfer Abschied, es mit seines Kaisers Worten tröstend, wie er den bösen Feind „dreschen“ wolle und wie er gewiß wieder gesund und als ein Held zurückkehren werde. An den Tod dachten die jungen Krieger nicht. Mit ihren Kameraden vereint, zogen sie singend und scherzend aus in den Kampf, daß Trennungsweh den Daheimgebliebenen überlassend.
Still gingen diese der Arbeit nach und als nach und nach auch die älteren Jahrgänge eingezogen wurden, da wurde überall in den Dörfern die bange Frage laut: Wer hilft uns jetzt die Ernte einbringen und das Feld bestellen zum nächstjährigen Ertrage? Doch was man nicht für möglich gehalten hätte, ist eingetreten. Nach der Entziehung so vieler starker Männerkräfte schritt die Feldarbeit fort wie in Friedenszeiten. Frauen und Mädchen im Vereine mit Greisen und Kindern unterwarfen sich mit doppeltem Eifer der Riesenarbeit von Ernte und Feldbestellung, von Haus- und Gartenwirtschaft. Verwandtschaftliche Zusammengehörigkeit und nachbarliche Zuneigung ergänzten gegenseitig die Lücken. Mit gefüllten Scheunen schloß das Kriegsjahr 1914 ab und mit Zuversicht sah man nach den gelungenen Proben dem weiteren Verlauf des Krieges entgegen und wohl noch günstiger gestaltete sich das Ernteergebnis im Kriegsjahr 1915.
Wenn auch die Bauersfrau, wie geschildert, alle Hände voll zu tun hat, so vergißt sie doch nicht mit besonderer Sorgfalt für ihre tapferen Helden draußen im Schützengraben die wohlgefüllten Liebesgabenpaketchen herzurichten und mit einigen liebevollen Zeilen der Post zur Weiterbeförderung anzuvertrauen. Schinken, Hartwurst, Hausmacherwurst, Eier, Butter und andere gute Dinge sollen dem Braven draußen für alle Strapazen und Gefahreneinigermaßen entschädigen. Wie freut sich das Mutterherz, wenn ein Feldpostbrief die Antwort bringt, daß die guten Gaben mit Vergnügen in Empfang genommen worden seien und ihren Zweck erfüllt hätten und wie freut sie sich erst recht, daß der gute Junge noch heil und gesund ist. An warmen Unterkleidern für den harten Winterdienst darf es ihm nicht fehlen. Die sorgende Mutterhand findet Zeit genug dies alles herzurichten. Mit Stolz erzählen die Angehörigen von den heimberichteten Heldentaten ihrer Braven draußen und wahrlich, es sind ihrer nicht wenige, die mit Verdienstkreuzen und gar dem Eisernen Kreuze für ihr tapferes Verhalten vor dem Feind ausgezeichnet worden sind. Mit doppeltem Eifer wird von Großvater, Mutter und Schwester oder dem jüngeren Bruder die schwere Arbeit geleistet, die sonst dem Feldgrauen oblag, wenn sie von ihm hören, wie er große Strapazen, oft den Tod vor Augen, zu ertragen habe. Dieses Heldentum vor dem Feinde regt in der Heimat zum ausdauernden Ringen in wirtschaftlicher Hinsicht an. Es werden dadurch bei der Landbevölkerung schlummernde Kräfte ausgelöst und weiter gestählt, die erzieherisch wirken zur Heranreifung eines starken Geschlechts.
An vielen Zügen lässt es sich erkennen, daß die Landbevölkerung sich mit starkem Herzen in das schwere Geschick findet, das der Krieg bringt und daß sie mit vaterländischen Gefühlen alles Ungemach erträngt. Ist es nicht vaterländisch gedacht, wenn eine Mutter, deren Herz sich um ihren Sohn draußen an der Front schon weit über Jahresfrist verzehrt, sagt: „Es ist mir ganz gleich, wann er kommt, w e n n er nur wiederkommt!“ Mit welchem heroischen Gleichmut oft Frauen die Verstümmelung ihrer Männer ertragen, ist erstaunlich. Nicht als ob sie sich gleichgültig darüber hinwegsetzen würden; nein, der Gedanke, daß ihr Gatte seine gesunden Glieder für das Vaterland hingegeben hat, löst bei ihnen, neben einem schmerzlichen Gefühl, ein Gefühl des Stolzes aus. „Es wird schon wieder einen Weg zu neuem Unterhalt geben“, sind hier die Worte der Selbsttröstung. Gleich heroisch sind aber die von feindlichen Geschoßen schwer Gezeichneten selbst im Ertragen ihrer Kriegsgebrechen. So hat, um nur ein Beispiel anzuführen, ein blutjunger Landwirt mich eines Tages mit der linken Hand gegrüßt, weil der rechte Arm infolge eines Schrapnellschusses bewegungslos herabhing. Trotzdem eine Heilung ausgeschlossen ist, war er guten Mutes und meinte, stolz auf das Band des Eisernen Kreuzes zeigend: „Dies entschädigt mich reichlich für meinen toten Arm und wenn ich auch meinen Landwirtsberuf an den Nagel hängen muß, so werde ich mir schon weiter helfen“. Diese Beispiele, sie ließen sich noch vermehren, geben beredetes Zeugnis von dem guten, patriotischen Geist, der in unserer Landbevölkerung steckt und es ist nicht zu verwundern, wenn unsere Heerführer sich wiederholt äußerten, daß mit so gearteten Truppen sich die schwierigsten Unternehmen ausführen lassen.
Wir wollen es mit den düsteren Bildern genug sein lassen und Kriegseinwirkungen auf dem Lande schildern, die eine heitere Note erkennen lassen. Wie freut man sich im Elternhause, wenn der Sohn, auf den man seiner Taten wegen stolz geworden ist, auf Urlaub heimkommt. Erhobenen Hauptes begleitet man ihn durch das Dorf in die Kirche, wo er in seiner feldgrauen Uniform alle Blicke auf sich lenkt. Gespannt lauscht man seinen Schilderungen vom Kampffelde und all den furchtbaren Dingen, die der moderne Krieg mit sich bringt. Doch auch heitere Erlebnisse werden zum Besten gegeben und nicht zum Geringsten spielt dabei die Magenfrage mit allem Drum und Dran eine Hauptrolle. Von Eltern, Geschwistern und Verwandten wohl aufgepäppelt, verläßt der Krieger nach abgelaufener Urlaubszeit wieder sein Heimatdorf und begibt sich neu gestärkt zum frischen Kampfe in den Schützengraben.
Die Kriegsgefangenen, in der Hauptsache sind es Russen, werden von den Landleuten gut gehalten. Sie empfangen ausreichende Kost, schlafen in guten Betten und werden, wenns not tut, gekleidet. Allerdings verlangt der Bauer dafür ausdauernde Betätigung in Feld und Haus. Die Verständigung geschieht durch Zeichen und Vormachen. Im Laufe der Zeit lernen sich auch beide Parteien bis zu einem gewissen Grade durch gegenseitig erlernte Worte verstehen. Das Verhältnis zwischen Familie und Kriegsgefangenen ist meist ein erfreuliches. Doch gibt es unter letzteren hie und da renitente Elemente, die sich gern von der Arbeit drücken möchten. Viele sind des Lesens und Schreibens auch in ihrer Muttersprache unkundig und bringen den bäuerlichen Anleitungen oft wenig Geschick entgegen. Andere zeigen sich, dank ihrer besseren geistigen Entwicklung wieder anstelliger. Mancher Bauer muß oft allen Scharfsinn und alles anschauliche Geschick aufwenden um diese Leute in subtilere Teile der Arbeit einzuführen. Wieder andere reden auf die Gefangenen unermüdlich ein, um sich ihnen verständlich zu machen. Ja ich hörte sogar ein altes Bäuerchen mit überlauter schriller Stimme einem Mongolen beim Pflügen Anleitungen geben, so daß es sich anhörte als ob er den größten Rechtsdisput mit dem Gefangenen hätte. Wahrscheinlich glaubte der Lehrmeister dem Mangel an Sachverständnis durch die Tonstärke abhelfen zu können. Soviel haben die Landwirte herausgeklügelt, daß die Russen im allgemeinen brauchbarer zur Feldarbeit sind, als die feinnervigen Franzosen. Den russischen Kriegsgefangenen scheint es ganz gut, nach ihren Äußerungen zu schließen, auf dem Lande zu gefallen. Manche von ihnen wollen deutsch werden und geben das kund mit den Worten: „Nix Russi, Warschau deutsch!“ Wieder andere verwundern sich darüber, daß jeder Mann hier sein Häusschen und Gärtchen habe, während bei ihnen dies alles dem Zar gehöre. Sie wollen Frau und Kinder kommen lassen und lieber hier wohnen bleiben, als in ihrer russischen Heimat, wo alles so streng und hart sei.
Die Wahrnehmungen und Erfahrungen, weche die Tausende und Abertausende von Kriegsgefangenen in unseren deutschen Landen machen, dürften wohl nach dem Frieden und der Heimkehr derselben gute Früchte zeitigen. Sie werden gewiß die beste Abwehr aller Lügengewebe bilden, mit welcher das russische Volk von seiner Presse umnebelt wurde und werden eine Brücke zu besserem gegenseitigem Verstehen schaffen zum Nutzen und Frommen großer Völkerschaften.